turning points

Verena Landau | Malerei

Ausstellung in der Galerie Jürgen Kalthoff Essen vom 26. September bis zum 30. Oktober 2008

Der Titel »turning points« verweist auf Filme mit unerwarteten Wendungen, Frauenfiguren an Wendepunkten ihrer Leben, historische Wenden und auf die Frage nach der Möglichkeit gesellschaftlicher Richtungsänderung. Dies sind Themen, die im Zentrum der aktuellen Werkgruppe von Verena Landau stehen.

Die Ausstellung in der Galerie Jürgen Kalthoff führt die jüngsten Arbeiten der Künstlerin zusammen. In vergangenen Projekten fokussierte sie Grenzziehungen im urbanen Raum. Sicherheitskontrollen auf Flughäfen, Eingänge von Hauptaktionärsversammlungen, Messen und Kunstinstitutionen filmte sie mit der Videokamera und transformierte einzelne Standbilder in Malerei (»en_trance«, 2006). Diese Portraits gesichtsloser Transitorte mit vereinzeltem Personal ließen sich durch die Abwesenheit des Sozialen charakterisieren. Nach einer Ausstellung in New York mit dem Titel »Still Missing: Beauty absent Social Life«, zu der Landau eingeladen war, stellte sie die Frage nach der Umkehrung: Wie lässt sich die Anwesenheit des Sozialen heute künstlerisch darstellen, ohne in Sozialromantik zu verfallen? Eine Wendung: Neuerdings ziehen vermehrt Figuren und Figurengruppen in ihre Bildwelten ein.

Das Ausgangsmaterial für die aktuellen Malereien bilden Filme der 60er Jahre – für Landau ein Rückgriff auf vertraute Vorbilder, in denen sie Neues entdecken konnte. Gesellschaftskritische Ansätze, die sie selbst beschäftigen, fand sie in den Werken von Regisseuren wie Jean-Luc Godard und Michelangelo Antonioni wieder. Diese schufen ihrerseits poetische Bilder der Kinogeschichte und entlarvten diese Poesie zugleich, indem sie visuelle Wahrnehmungsmuster radikal in Frage stellten. Sie versuchten, die bürgerliche Welt zu entzaubern, der sie selbst angehörten und zeigten gleichzeitig ihre zweifelnde Sicht auf die Studentenrevolte, mit der sie sympathisierten.

Aus Filmen wie Antonionis »Rote Wüste« und »Zabriskie Point« wählte die Künstlerin Standbilder aus, montierte sie neu und überblendete sie mit dokumentarischem Bildmaterial und eigenen Assoziationen. Eingefangen wurden szenische Momente, in denen Protagonistinnen aus gesellschaftlichen Rollen ausbrechen, Grenzen überschreiten oder zu ‚revolutionären Subjekten’ werden. Die Studentin aus Godards »Die Chinesin« von 1967 plant ihr erstes Attentat, um die marxistische Theorie in die Praxis umzusetzen. Landau benutzt die Figur, um verschiedene Vorstellungen von Revolution aufeinander prallen zu lassen: Sie konfrontiert die Studentin Veronique mit einem Gemälde der „Pariser Kommune“ von 1892 und einem Zeitungsfoto des Straßenkampfs von 1968.

Die zitierten Genres Historienmalerei, Fotografie und Film stehen für Darstellungsformen politischer Ereignisse und für spezifische Medien, die Wahrnehmung in verschiedenen Epochen entschieden geprägt haben. Ein Radio im 60er-Jahre-Design und ein modernes Laptop werden gleichzeitig von der Studentin bedient. Der Körper ist seltsam nach vorn gedreht, der Blick zurück gewandt zum Schlachtenbild, das in ihren Bildraum hinein zu explodieren scheint. Die Konstellation könnte pathetisch wirken, wäre da nicht das Motiv aus dem Manga »Sweet Revolution«, welches auf dem Bildschirm des Laptops erscheint. Es erinnert daran, dass wir uns im 21. Jahrhundert befinden und ironisiert das ernste Szenario.

Verena Landau vertraut auf die Malerei als geeignetes Mittel, um Welt zu reflektieren und Kommunikation anzustiften. Sie malt die fiktiven Szenarien wie etwas persönlich Erlebtes und lässt die Rezipienten an ihrer Weltsicht teilhaben. Dafür nutzt sie das Potential kollektiver Bilder, um gemeinsame Erfahrungen und individuelle Zugänge zu ermöglichen. Die Ausstellung fordert dazu auf, sie wie einen Film zu betrachten und nach den unsichtbaren Szenen zwischen den Bildern zu fragen.